Weißer Rauch steigt auf
über den Häusern am Hang.
Der Himmel ist fern.
Form
Haiku ist der Name einer sehr alten japanischen Gedichtform. In europäische Sprachen (und Denkweisen) übertragen, müssen die Regeln, nach denen ein Haiku traditionell verfasst wurde, verändert werden. Das liegt daran, dass die japanische Kultur und Sprache, vor allem aber auch die japanische Schrift ganz anders funktionieren, als es die in Europa geläufigen tun. Aus diesen Anpassungen ergibt sich ein Regelgerüst, das ich der Einfachheit halber hier als traditionelles europäisches Haiku bezeichnen möchte.
Ein solches traditionelles europäisches Haiku besteht aus drei Zeilen, die, wie im Folgenden schematisch dargestellt, in festgelegte Silbengruppen aufgeteilt sind:
1. Zeile 5 Silben
2. Zeile 7 Silben
3. Zeile 5 Silben
Die letzte Zeile kann – muss aber nicht – eine unerwartete Wendung bringen und es gibt keinen Titel. Ich habe wieder nur einen gewählt, um den Text besser verlinken zu können. Wie Du vielleicht gemerkt hast, ist die Form des Elfchen, mit der wir bereits experimentiert haben, an die des Haiku angelehnt und sehr vereinfacht worden.
Inhaltlich sollte es in einem Haiku immer einen Bezug zur Natur und einen (wie auch immer versteckten) Hinweis auf eine konkrete Jahreszeit geben. Dabei geht es nicht so sehr darum, etwas logisch zu beschreiben, sondern vielmehr darum, eine Wahrheit lediglich „aufblitzen“ zu lassen (Roland Barthes), sie also nur anzudeuten.
Über Haikus gibt es sehr viel nachzulesen und man kann sich jahrelang mit ihnen beschäftigten, ohne dass auch nur die leiseste Langeweile aufkäme. Wenn Dich das interessiert, kannst Du ganz unten ein paar Links folgen, die ich zusammengestellt habe. Bis hier hast Du erstmal die grundlegenden Regeln für ein traditionelles europäisches Haiku kennengelernt und kannst, wenn Du möchtest, einfach loslegen:
Schreibimpuls
Wähle ein Tier, eine Pflanze und eine Lichterscheinung (Strahlen, Sonne, Mond, Relexe auf einer Wasseroberfläche etc.). Schreibe mindestens drei Haikus. Je eines der von Dir gewählten Worte sollte dabei in je einem der drei Haikus Verwendung finden. Solltest Du mehr Haikus schreiben wollen: nur zu, ich freue mich!
Wenn Du möchtest, schreib sehr gern wieder Haikus in unterschiedlichen Sprachen. Bitte beachte dabei meine Grundregeln, die Du hier findest. Bitte schreibe jedes Haiku wieder in ein eigenes Kommentarfeld. Und fühle Dich frei, Dich in Deinen Arbeiten auf die anderer Autor*innen hier auf dem Blog zu beziehen.
Den nächsten Schreibimpuls
poste ich voraussichtlich am Wochenende 8. bis 10. Mai
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Einige wenige weiterführende Informationen zu Haikus:
Wer sich mehr mit Haikus beschäftigen möchte, könnte z. B. nach Texten von Matsuo Basho, einem der wichtigsten Haiku-Dichter, suchen. Ein Buch mit Basho-Haikus, das ich sehr mag, ist:
Ein anderes mit einer schönen Sammlung von Haikus unterschiedlicher Dichter*innen ist bei Reclam erschienen:
Und schließlich möchte ich Dir noch eins meiner absoluten Lieblingsbücher zum Thema Haiku sehr ans Herz legen. Leider gibt es das wunderbare Büchlein von Yoel Hoffmann (dessen Bücher alle lesenswert sind) auf Deutsch nur noch antiquarisch und selbst das nicht mehr sehr oft:
Die Bekanntschaft mit Yoel Hoffmanns Schreiben verdanke ich Jan Kuhlbrodt, dem ich dafür sehr dankbar bin.
In all den hier genannten Büchern gibt es ausführliche Nachwort-Essays oder sonstige erklärende Texte zu Form, Philosophie und Geschichte von Haikus.
Abschließend findet Du hier ganz allgemein einige, auch historische Grundinformationen zum Thema.